Die Galgenbreite
An der nordöstlichen Grenze Geismars zur Stadt Göttingen liegt die kleine Straße Galgenbreite. Diesen Namen hat sie 1962 erhalten. Tatsächlich war in dieser Gegend, auf eine Feldflur gleichen Namens, in früherer Zeit die Hinrichtungsstätte des Ortes. Dazu gehörte seinerzeit auch ein Galgen. Die Wahl des Platzes wird kein Zufall gewesen sein. Einerseits weit weg vom Dorf und andererseits gut sichtbar neben der Hauptstraße Einmündung Sandersbeek in Richtung der Stadt Göttingen.
Nach allem was man heute weiß, haben dort aber nie Hinrichtungen stattgefunden. Vielmehr diente der Galgen zur Abschreckung und als sichtbares Zeichen für die eigenständige Gerichtsbarkeit in Geismar. Die hatten die Herrn von Hardenberg lange Zeit inne.
Durchgeführt wurde an diesem Ort im 16. Jahrhundert aber dreimal ein sogenanntes Totengericht, d.h. es wurde über eine bereits verstorbene Person Gericht gehalten und ein Urteil vollstreckt. Das war damals allgemein nicht unüblich, sollte Macht demonstrieren, weist aber auch auf das Vorhandensein abergläubischer Vorstellungen hin. In Geismar betraf es einen in der Untersuchungshaft gestorbenen Vergewaltiger (1547), einen Selbstmörder (1573) und einen bei der Tat erschossenen Dieb (1580). Ihre Leichen wurden dann an der Hinrichtungsstätte verbrannt und vergraben. Beim letzten Totengericht regte sich aber schon Protest gegen diese Form der Rechtssprechung und es fand in Zukunft nicht mehr in Geismar statt.
Gerade in diese Phase am Ende des eigentlichen Mittelalters kam es immer wieder zu großer, öffentlicher Gewaltanwendung. Die Gründe mögen damals in den gesellschaftlichen Veränderungen, dem Hereinbrechen der Kleinen Eiszeit mit Hungersnöten, sowie dem Auftreten der Pest zu finden sein. Das alles verunsicherte die Menschen. Die Vernunft wurde nur langsam zur Richtschnur des Handelns. Dennoch gab es bekannterweise auch in den folgenden Jahrhunderten wieder Rückfälle in die Barbarei. Die Decke der Zivilisation ist dünn!
Auf der ältesten Karte der Feldflur von Geismar von 1744 ist der Galgen noch eingezeichnet. Spätestens als der Ort 1839 sein Gericht verlor wird er demontiert worden sein.
Quellen: Tütken, Hans: Totengericht und Totenrecht in Geismarer Quellen; in: Göttingen Jahrbuch 1964, S.165 – 176. Tütken, Hans: Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar bis zur Gerichtsauflösung im Jahre 1839; Göttingen 1967: Einsteckkarte.
Martin Heinzelmann; Ortsheimatpfleger (0551 – 7906902)